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Land und Leute

„Damit die Kirche im Dorf bleibt“,
auch bekannt als: „Lass nur die Kirche im Dorf“


Eine Redensart, die oft gebraucht wurde, obwohl es dabei gar nicht um das Gotteshaus ging. So z. B. wenn jemand ganz toll prahlt, oder den Preis bei einem Verkaufshandel unverschämt hoch angesetzt hat, oder aber auch versucht, unter den Wert herunter zu handeln, bekommt er gesagt: „Lass die Kärche im Dorfe!“

Es sollte eine schöne Aufgabe sein, die Kirche im Dorf zu erhalten, denn jede Kirche hat ihre eigene Vergangenheit, immer verknüpft mit dem Schicksal der Bewohner des Ortes. Viel über Freud und Leid könnten die Steine in ihren Mauern berichten. Die Kirchen bildeten den Mittelpunkt, dort traf man sich zu Gottesdiensten, suchte Schutz, wenn Kriege oder Fehden über das Land zogen. Dabei wurden die Kirchen trotzdem nicht verschont. Es wurde geraubt und geplündert, wertvolle Schätze gingen so unwiederbringlich verloren.

Die Kirchen prägen das Gesicht von Dörfern und Städten. Es sind großartige Zeugnisse unseres christlichen Glaubens, der Kultur und der Geschichte des Landes. Ein starker Wille sollte jeden erfüllen, die Kirchen für uns und unsere Nachkommen zu erhalten. Sie sind immer Orte der Besinnung gewesen. Heute in der schnelllebigen Zeit bieten sich die unvergleichlich schönen Räume an, um Ruhe und das Gleichgewicht der Seele wieder zu finden. Wie ein Zeigefinger Gottes stehen die Türme der Kirchen. Weithin sichtbar in der Landschaft den Weg weisen, das ist eine ihrer Aufgaben. Viele alte Straßen, die man heute noch entlang fährt, führen auf den Kirchturm zu, wie z. B. von Eckartsberga nach Niederholzhausen. Viele andere auch, als wollten sie die Richtung angeben, dass niemand vom Weg abkommt und dabei strauchelt. Wie ein Wächter über das Land steht der Kirchturm. Hoch oben im Turm haben die Glocken ihre Stube, oft riefen sie bei Gefahr die Bewohner des Ortes. Weithin ist der Glockenklang zu hören, verkündet Freud oder Leid und ruft zum Gottesdienst oder Feierabend. Dafür zu sorgen, dass die Kirche im Dorf bleibt, war immer eine schwierige Aufgabe, für die unsere Vorfahren große Opfer erbrachten. Besonders, wenn sie durch Feuer, Blitz oder Kriege zerstört wurden. Es geschah immer unvorhergesehen.

Um einiges zu erwähnen: Im Grafenkrieg 1345 wurde die Burg von Burgheßler zerstört. Aus der Lißdorfer Kirche wurde von den durchziehenden Recken das silberne Kreuz und die silbernen Spangen von dem Buch, das der Abt vom Kloster Heersfeld zur Einweihung der ersten Wigberti Kirche überreichen ließ, geraubt, sowie vier kostbare Gewänder.

Im Bruderkrieg 1436 – 1451 zogen die Heerscharen wieder durch unsere Heimat. Dabei gingen am 15. Juli 1450 mit Eckartsberga 60 Dörfer und Städte der Umgebung in Flammen auf. Den Befehl gab einer der „Brandmeister“ Thüringens, Hermann von Harras, nachdem es nicht gelungen war, die Eckartsburg zu bezwingen. Der Bauernkrieg 1525, Lißdorf musste den Amtmann in Eckartsberga 31 bewaffnete Männer zur Verfügung stellen, Verpflegung ist dabei. 1540 wurde das Kloster Pforte säkularisiert, und 1543 in eine Landesschule umgewandelt, aber die Frondienste bleiben. Frondienste sind Dienste für den Herrn, unentgeltlich. Die Zinsen, heute sagt man Steuern, wurden jedes Jahr an Pforte weiter gezahlt, im Jahr 1551 betrugen sie für 30 ¼ Hufen

2612 Groschen 7 Scheffel Erben (Erbsen?)

9 Scheffel Gerste 38 Hühner

4 Scheffel Hafer 3 Gänse

9 Scheffel Gemenge 8 ½ Pfd Wachs

1 Groschen hatte 12 Pfennig. Die Scheffel war ein Hohlmaß, so hatte der Eckartsbergaer Scheffel 70,118 Liter.

1618 – 1648 tobte 30 Jahre der Glaubenskrieg. Es wurde geplündert im ganzen Land. 1632 lagerte König Gustav Adolf von Schweden mit seinen Heerscharen auf und um den Sachsenberg bei Eckartsberga, ehe er in die Schlacht bei Lützen weiter zog. Mensch und Tier mussten von Eckartsberga und den umliegenden Dörfern versogt werden. 1638 bekam der Pfarrer in Lißdorf, Martin Chemnitius, der auch die vakante Superintendentenstelle in Eckartsberga mit versah, den Schwedentrunk verabreicht, weil er das Versteck der kirchlichen Schätze nicht verraten hat. Der Schwedentrunk war nicht etwa mitgebrachter Schweden-Punsch. Nein, es war Jauche, die dem Betreffenden eingefüllt wurde. Die meisten starben danach, dieser Pfarrer überlebte.

1757, Anfang November, zog nach der Schlacht bei Rossbach, in der Nähe von Merseburg, Feind und Freund hierdurch, übernachtete und brauchte Speise und Trank, sowie Futter für die Tiere. 1806 - die Schlacht bei Hassenhausen, kaum etwas blieb von den Dörfern und Kirchen noch übrig, das Holz der Inneneinrichtung im Biwakfeuer verbrannt. Am 15. August 1899 fand man im Kopf des Kirchturmes von Pfiffelbach eine Zusammenstellung dessen, was das Herzogtum Weimar durch die Plünderung der Franzosen am 14. Oktober 1806 und den folgenden Tagen verloren hat:

476740 Taler 15 Groschen in barem Geld

848161 Taler in Leinenwand, Geräten, Kleidungsstücken, Silberzeug, Möbel und Waren

1125 Pferde; 1043 Ochsen und Kühe; 2991 Schweine; 4437 Hammel und Schafe; 400 Ziegen; 35130 Stück Geflügel; 3718 Scheffel Weizen; 4372 Scheffel Gerste; 355388 Scheffel Hafer; 50360 Ztr. Heu; 45254 Ztr. Stroh; 3377 Klafter Holz; 31762 Maß Branntwein; 182820 Maß Wein.

Wie viel von den Kirchen darunter ist, weiß ich nicht, aber verschont wurden sie nicht! So schrieb des Ortes Richter Gottlob Volk, Lißdorf, dass unter den Napoleonischen Kriegen 1806 und 1813 Lißdorf sehr gelitten hat. Nach der Schlacht bei Leipzig kam die ganze Ritterschaft über Lißdorf wegen der Hauptstraße, gemeint ist die Via Regia.

Dazu kamen noch die hohen Ablösesummer für die Frondienste an Pforte. 600 Jahre hatten die Lißdorfer Bauern frönen müssen. Die Ablösung wurde auch Rezess genannt.

160 Taler im Jahr 1840 gez. an Schäferei Gernstedt/Pfo.

130 Taler am 24. Nov. 1841 gezahlt an Pforte

120 Taler am 03. Jan.1842 gezahlt an Pforte

100 Taler am 03. Jan.1842 gezahlt an Pforte

1068 Taler am 25. April 1843 gezahlt an Pforte

150 Taler am 01. April 1846 gezahlt an Rittergut Gößnitz

780 Taler, 10 Silbergroschen, 8 Pfennige gezahlt in einzelnen Summen in der Zeit vom 29. Juni bis 02. Juli 1842 ebenfalls an Pforte, dass sich ja heute Schulpforte nennt. 3400 Taler kostete die Separation der Lißdorfer Flur, die 1849 abgeschlossen war. So schreibt Gottlob Volk weiter: „Das Jahr 1852 gibt uns Gelegenheit, hierdurch unseren Nachkommen den Druck unserer Zeit wissen zu lassen, nicht nur welche Lasten wir seit kurzen Jahren unseren Nachkommen etliche (?) Zeiten (Frondienste) für Geld abgeschafft haben, auch kam noch hinzu, dass wir gezwungen waren, eine neue Kirche zu bauen…

Durch Widerspruch war der Bau sechs Jahre aufgeschoben worden, doch nun waren wir gezwungen, die alten Kirchenmauern nieder zu reißen und neu zu bauen. Der Bau war mit 2400 Talern liquidiert, dazu kamen noch 500 Taler. Die Gemeinde hatte 1200 Taler, die Kirche 600 Taler, der Rest wurde geborgt.“

Die Bauzeit war von März bis November 1852. Wie viel würde der Bau dieser Kirche heute mit der modernen Technik wohl kosten?
Gottlob Volk schreibt weiter:

„1 Taler hatte 30 Silbergroschen, der Groschen hatte 12 Pfennige.

der Berliner Scheffel Korn (Roggen) 2 Silbergroschen

der Berliner Scheffel Weizen 2 Silbergroschen

der Berliner Scheffel Gerste 1 Silbergroschen

der Berliner Scheffel Hafer 20 gute Pfennige

(es kann auch Ztr. = Zentner sein, war schwer zu entziffern)

2 Pfennige zahlte Pforte für einen Tag Hopfen pflücken. 1 Groschen und 8 Pfennige für ein Pferd am Tag und so will ich hiermit schließen und bitten zu Allen, dass Gott dieses erbaute Gotteshaus vor Unglück behüten wollte, damit unsere Nachkommen unserer Opfer auch gedenken mögen und können.

Lißdorf, 17. November 1852 des Ortes Richter Volk.“

Zu erwähnen sei noch, dass am 24. Juni 1818 durch Blitzschlag 13 Wohnhäuser mit allen Nebengebäuden in Lißdorf nieder brannten, tags davor ein Gehöft. Nach der finanziellen Ablöse der kostenlosen Fröne, hatten sich viele Schulden aufgenommen.

Seit der Erwähnung Lißdorf im 1. Teil des Zehntverzeichnisses vom Kloster Hersfeld gehörte es dorthin. Das Kloster gab Teile an Adelige zu Lehen mit allen Rechten. Diese sahen es im Laufe der Zeit als ihr Eigentum an. Das gefiel den Mönchen in Hersfeld nicht, denn der fränkische Herrscher, Karl der Große, hatte es ihnen wohlwollend überlassen. So nutzten die Abgesandten des Abtes von Hersfeld die Gunst der Stunde, denn in der Schatztruhe des Klosters lag eine Krone von eitlem Golde und mit Edelsteinen verziert. Als Pfand für ein Darlehn, in der Not von Königshand, die Krone dahin gegeben. Am 30. April des Jahres 1053 unterzeichnete Kaiser Heinrich III zu Wiehe das Dokument, wonach er gewisse Güter in Lizichesdorf für den Rückkauf der Krone dem Kloster wieder zu eigen gab. So war das Kloster Hersfeld oberster Lehnherr über Lißdorf mit allen Rechten bis zum Jahr 1290.

Das Kloster Hersfeld hat wieder Adligen Besitz zu lehnen gegeben. Diese verkauften ihren Besitz und ihre Rechte auf Zins = Steuern an Pforte. Als erstes gingen so 4 Hufen am 24. November 1290 an Pforte. Am 25. Oktober 1304 gibt das Kloster Hersfeld 16 Hufen mit 13 Höfen in Lißdorf mit dem dazu gehörenden Teil des Patronatrechts über die Kirche, dem Kloster Pforte und bekommt dafür 15 Hufen in Brembach und das Patronatsrecht der Kirche Liebstädt. In den folgenden Jahren verkaufen die Marschalle von Eckartsberga, Trebra, Gosserstedt und Holzhausen ihre Rechte wie Zins = Steuern, Patronatsrecht, Besitz und Halsgerichte dem Kloster Pforte, teils auch durch Schulden gedrängt, wie z. B. die Marschalle von Gosserstedt. Bei den Juden Abraham in Wiehe hatten sie Geld geborgt. Die Mönche bezahlten diese, und wieder hatte sich der Besitz des Klosters vergrößert.

Die Brüder Koller, lange Zeit Bughauptmänner in Eckartsberga, verkaufen am 9. August 1345 ihre Rechte an Pforte. In einer weiteren Urkunde werden als Lehnsträger in Lißdorf benannt, Heinrich von Benningdorf mit 5 Fertonen vom Hof und einer halben Hufe und Cunrad Kullingk mit 3 Fertonen.

Die letzte Erwerbung des Klosters Pforte in der Flur Lißdorf fand im Jahr 1432 statt. Das Kloster St. Mauricius (Moritzkloster) vor den Mauern von Naumburg hatte eine Schuldenlast von 1700 Gulden. Deshalb verkaufte es an Pforte 10 Malter Weizen, die Einkünfte von 6 Hufen, welche ihre Kirche in den Dörfern Lissingsdorff und Dokwiecz gehabt habe, für 220 Rheinische Gulden, wobei sie sich die Gerichtsbarkeit und andere Zinsen = Steuern auf diesen Gütern vorbehalten hatten.

Die Schulden zwangen zum weiteren Verkauf. Für 250 Rheinische Gulden gingen an das Kloster Pforte folgende Zinsen = Steuern; nämlich 10 Malter Gerste und 4 Malter Hafer, 35 Schillinge, weniger 4 Pfennige nebst 3 ½ Scheffel Erbsen, 7 Hühnern, 1 Schock Eier, jährlich fällig zu Michaeli 29.09. fällig, auch welche Zinsen noch von oben erwähnten 6 Hufen und den dazu gehörenden Höfen in Listorff und Dokwiecz. So gehörte Lißdorf mit allem dem Kloster Pforte.

Dass die Mönche ihren Sitz von Schmölln an die Saale verlegten, bekamen sie vom Naumburger Bischof 50 Hufen unter dem Pfluge und einen großen Teil Wald mit den Wirtschaftshöfen Lochwitz und Kösen. 150 Jahre später hatte sich der Besitz verzehnfacht. Sie wollten nicht nur den Zins = Steuern, sie wollten auch das Land. Durch diese Wirtschaftspolitik wurden viele Dörfer unserer Heimat wüst, wie z. B. Crannewitz, Roßwitz, Fußnitz und viele andere.

Für die Pforte eigenen Dörfer war Frondienst zu leisten. So schrieb des Ortes Richter Volk über Lißdorf: „Wir mussten alljährlich 170 Morgen Feld zu 4 Arten ackern, 8 Tage Mist fahren, 8 Tage Getreide fahren, 50 Schock Wellen im Oberland, von Hermsdorf und nach Pforte fahren, 50 Schock Wellen in pfortaischen Wäldern zu hauen. Alles Heu und Grummet mussten wir von 2 Weiden in Joggendorf bei Wiehe, ein Wiese bei Rossbach, 2 Wiesen in Gernstedt und eine Wiese bei Taugwitz einesteils nach Kösen in die Schäferei, andererseits nach Pforte bringen. Jedes Haus musste 2 Tage Hafer sammeln und 2 Tage Hopfen pflücken. Hatten wir in Pforta, in Fränkenau, Goldschau, Kösener Mühle, Altenburger Mühle, Gernstedter Schäferei mit Gasthof in jeder Art Baulichkeiten. So geschah ein Neubau, als ein Reparaturbau zu bestreiten mit Fahrer und Handträger, die Materialien hin und zurück fahren, dabei waren auch die Kösener Brücke, das Wehr in Kösen, auch die Brücken in Pforte, so dass wir bis heute kein Brückengeld geben in Kösen. Dieses wurde schon 1824 abgelöst und hat 260 Taler gekostet.

Die Schäferei in Gernstedt, eine Wiese, wo wir (die Lißdorfer) das Gras von Heu und Grummet streuen mussten, mit Poppel und Benndorf in Haufen bringen und einzufahren. Ein Stück der kleinen Saale hegen, beräumen. Brauchten die in Pforte Holz zu einem, mussten die Lißdorfer zeitweise in den Memlebener oder Hechendorfer Forst zum Holz fahren. Das Heu und Grummet von zwei Wiesen bei Hechendorf nach Fränkenau wegzufahren. So waren die Lißdorfer manchmal drei Tage in der Woche für Pforte tätig, zu Hause hatten sie auch noch ihre Arbeit.“

Es sei noch zu erwähnen, dass in der Ziegelscheune bei Hassenhausen Kalk für Pforte gebrannt wurde, sowie die Frondienste für das Vorwerk in Lindenberg. Dort hatten sie die Beackerung, die Bestellung und das Besäen des für Gerste und Hafer bestimmten Ackers durchzuführen, abgelöst 1558 mit 6 Neuschock. Lißdorf besaß 1543 533,2 ha. All diese Ablösesummen der Frondienste wurden auf die Flächen, die jeder besaß, umgerechnet. So haben sich viele hoch verschuldet. Diese Lasten, die unsere Vorfahren getragen haben, sollten wenigstens einmal erwähnt werden.

Wann gab es jemals Freibauern? Ich selbst kenne noch die „Anbaubescheide“. Nach den „Ablieferungsbescheiden“ nach dem II. Weltkrieg hatten wir uns zu richten. Später kam die Planwirtschaft, heute die vorgegebenen Quoten der EU aus Brüssel.

Noch etwas zum Schmunzeln: Aus dem Ratsstatuten von Eckartsberga im Jahr 1558, Paragraph 22

„Sollen die Erbschenken von Lißdorf wie unter Schulpforte an den Hauptfesten ein Fass Bier und in der Ernte ein paar Fass sowohl auch Tonnen der Stadt zu schenken.“